1. Der lange Weg zur Gebäudeversicherung Graubünden
„Acht Tag nach Churer, der andren brunnst, ouch an einem frytag, verbrann das ganz dorf Disentis.... „. Mehrere verheerende Dorfbrände pro Jahr waren bis ins 19. Jahrhundert eine schlimme Geissel der Gesellschaft. Glaubt man dem Davoser Schulmeister und Wandermaler Hans Ardüser (1557-1614), so verging kaum ein Jahr, in dem nicht auch ein Naturereignis Not und Schrecken verbreitete. Die lange Chronik vom Wüten der Elemente zeigt, dass Graubünden bis weit ins 18. Jahrhundert nicht nur für die Reisenden als Ort des Schreckens galt. Dennoch haben Menschen seit Urzeiten hier gelebt und der rauhen Umwelt ihre Existenz abgetrotzt.
In unserem medialen Zeitalter kennen die urbanen Menschen Elementargewalten meist nur noch aus Berichten und Katastrophenfilmen; sie deuten sie auch nicht mehr als Ausbrüche von Gottes Zorn über unser sündiges Leben. Der Umgang mit dem kostbaren Boden zeugt zudem von einem oft blinden Vertrauen in die technische Machbarkeit, wenn auch in exponierten Lagen gebaut wird. Der seit 1882 stetig gestiegene Gebäudewert in GR von 105 Millionen auf 108 Milliarden zeigt die Zunahme der Besiedlung und welche Summen heute allein im Hochbau im Spiel sind. Dazu kommt die Erschliessung bis in die entlegensten Alpentäler mit Verkehr, Energie und Kommunikation. Unsere hochkomplexe Zivilisation ist verletzlich wie nie zuvor, was uns Unfälle in Tunnels, bei Bahnen, Flugzeugen, aber auch Pannen bei Elektrizitäts- und Wasserversorgung oder Ölpipelines beklemmend vor Augen führen.
Bei der Bekämpfung von Bränden wie von Naturgefahrenereignissen machte man bis ins 18. Jahrhundert wenig Fortschritte. Wiederaufbau und Schadensbehebung bauten auf dem Prinzip von Spenden auf. Diese oft wenig gerechte Geldverteilung wurde im 19. Jahrhundert durch eine ordnende Hand des Staates ersetzt. Die meisten Gebäudeversicherungen der Schweiz wurden vor gut 200 Jahren gegründet. In Graubünden dauerte es noch 100 Jahre länger, weil der Kanton sehr wenig Einfluss und finanzielle Mittel hatte und die Macht bei den Gemeinden lag. Zwar wurde mit jedem neuen Dorfbrand der Ruf Graubündens als Bettelkanton immer peinlicher. Dennoch bedurfte es des unermüdlichen Einsatzes zweier Männer, der Nationalräte Andrea Bezzola und Johann Anton Caflisch, um die Passivität und Ängstlichkeit des Parlaments zu überwinden. Seit 1880 wurden hartnäckig Teilschritte zur Gründung einer Gebäudeversicherung vorgenommen sowie ganze Gesetzesvorlagen entworfen und meist verworfen. Erst im neuen Jahrhundert ging man daran, dieses hundertjährige Postulat zu erfüllen. Der Widerstand breiter Bevölkerungskreise gegen eine weitere Ausdehnung der Staatsaufgaben sowie die Furcht vor dem finanziellen Risiko und vor fiskalischer Vermögenskontrolle nahmen allmählich ab. Als die Regierung 1906 dem Grossen Rat in einer Botschaft den Gesetzesentwurf für eine kantonale Gebäudeversicherung vorlegte, war dieser Entwurf schon 24 Jahre alt. Er hatte 1882 keine Gnade vor dem Parlament gefunden, obwohl erneut Dorfbrände und die daraus folgende Verarmung die Standeskommission zu dieser Vorlage bewogen hatte. Jetzt konnte die Regierung darauf zurückgreifen und mit geringen Veränderungen den damaligen Bedenken Rechnung tragen.
Wenn die Vorlage am 13.10.1907 die Volksabstimmung bestand, so vor allem auch wegen der jüngsten Beispiele trauriger Brandereignisse und der geschlossenen Unterstützung durch fast alle politischen Kräfte. Es vergingen nochmals 5 Jahre, bis die nötige Infrastruktur (Schatzungslisten, Reglemente für die Schadenerfassung, die Entschädigung sowie die Verfahren) bereit und alle Rechtshändel erledigt waren. Die privaten Versicherungen hatten beim Bundesrat und beim Bundesgericht Klagen gegen die entschädigungslose Abtretung ihrer noch rasch auf unüblich viele Jahre abgeschlossenenen Verträge eingereicht. Inzwischen hatte die völlige Zerstörung von Bonaduz noch einmal eindringlich demonstriert, wie nötig das Werk war.
1908 begann man mit der vollständigen Neueinschätzung aller zu versichernden Liegenschaften und baute die sehr schlanke Verwaltungsstruktur auf, die im Zusammenspiel von Gemeindebehörden und Kantonsverwaltung mit einem Minimum an Personal und Kosten ein Höchstmass an Wirksamkeit entfaltete.
Bis die Gebäude auch gegen Naturgefahren versichert wurden, dauerte es in Graubünden noch 24 Jahre. Diesmal war Graubünden bei der Umsetzung zumindest nicht mehr bei den letzten Gebäudeversicherungen. Es brauchte aber auch hier einen vorprellenden Pionierkanton, um die weitverbreiteten Bedenken zu überwinden. Diesmal war es die Waadt, welche nach einem verheerenden Tornado 1925 gegen die Meinung des Eidgenössischen Versicherungsamtes beschlossen hatte, Elementarschäden einfach in die kantonale Feuerversicherung einzuschliessen. Dadurch gerieten die Privatversicherungen und die andern öffentlichen Gebäudeversicherungen in Zugzwang. Erst als 1929 das eidgenössische Versicherungsamt Elementarschäden für versicherbar erklärte, schwanden die Ängste. Im Verlauf von 30 Jahren führten alle öffentlichen und später auch privaten Versicherer dieses Modell ein. Seit 1954 darf auch in Kantonen ohne öffentliche Gebäudeversicherung keine Feuerversicherung mehr ohne Elementarschaden-Versicherung angeboten werden.
2. Intervention
Die rund 90 Dorfbrände des 19. Jahrhundert hielten die Gefahr des Feuers stets gegenwärtig. Trotzdem blieben viele Gemeinden auf dem Gebiet der Feuerwehr lange untätig. Ausser Vorschriften über den Umgang mit Licht und Feuer, eine allfällige Wachordnung sowie gute Ratschläge war nichts zu erwarten, schon gar nicht, wenn es mit Anschaffungen auf öffentliche Kosten verbunden war. Irgendwie glaubte man nicht daran, gegen einen Brand wirksam vorgehen zu können. So erliess zwar die Stadt Chur nach dem 3. verheerenden Brand – 1465, 1574, 1576 – am 30.3.1577 eine neue Feuerordnung. Sie beliess es aber gänzlich bei allgemeinen organisatorischen Massnahmen im Feuerfalle, wo es eher um öffentliche Ordnung und Sicherheit ging. Die eigentliche Feuerwehr blieb den Einwohnern und den Zünften überlassen. Bürger und Hintersässen mussten zum nächstgelegenen Brandherd laufen, um diesem zu „wehren“, die Zünfte stellten das Führungspersonal. Ausbildung oder Übungen waren nicht vorgesehen. Was die Ausrüstung betraf, so hatte jeder Bürger seinen eigenen Feuerkübel zu halten und zur Verfügung zu stellen. In jeden Haushalt gehörte zudem eine sichere Laterne, in jeden Stall eine feste Leiter. Jede Zunft musste eine messingene Handspritze halten und zur Verfügung stellen. Der weitverbreitete Fatalismus, der auf Erfahrungen von Hilflosigkeit gegenüber der Allmacht der Naturgewalt mangels technischer Ausrüstung gründen mochte, war mit der industriellen Revolution unhaltbar geworden. Schon im 17. Jahrhundert waren in Grossstädten des Auslandes technisch weiterentwickelte, vielfältige Spritzen, Pumpen und Schlauchsysteme im Gebrauch. Ab Mitte 19. Jahrhundert entwickelte sich daraus eine eigentliche Industrie des Löschwesens, wovon Ausstellungskataloge und Werbeinserate in der Schweizer Feuerwehr Zeitung zeugen. Immerhin gab es auch in Graubünden fortschrittliche Persönlichkeiten und Gemeinden.
Diese Misere beschrieb der erste Präsident des Bündner Feuerwehrverbandes, Wilhelm Cazin, in drastischen Worten in der schweizerischen Fachzeitschrift. Grössere Gemeinden, wie Chur und Davos, aber auch Samedan, übernahmen eine Vorreiterrolle. Immerhin gab es in Samedan schon 1876 ein fortschrittlich ausgerüstetes und wohltrainiertes Feuerwehrcorps.
Doch auch um 1900 waren in ganz Graubünden mit seinen über 200 Gemeinden erst 27 solche Sektionen tätig. Als der 1896 gegründete Verband 1904 zu einem Feuerwehrtag in Ilanz rief, meldete sich keine einzige Gemeinde an. Der Grosse Rat erliess ebenfalls 1896 eine neue Verordnung betreffend das Feuerlöschwesen, die aber so wenig befolgt wurde, dass sie 1900 zu einem Gesetz erweitert werden musste.
Während Organisation, Instruktion und Ausrüstung von Feuerwehren dank Subventionierung allmählich besser wurden, fehlte es manchenorts noch weit ins 20. Jahrhundert hinein an der elementaren Grundlage für das Löschen, dem Wasser. Die meisten Gemeinden verfügten bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert über keine moderne Wasserversorgung, sondern begnügten sich mit hölzernen Teuchelleitungen. Bergün war vermutlich die erste Gemeinde, die 1874 eine Hydrantenanlage mit Druckleitung erstellte. Chur verfügte seit 1879 über eine Hochdruckleitung für die Hydrantenanlage. In den 90er Jahren wurden viele solche Anlagen gebaut, oft im Rahmen einer Gesamtwasserversorgung mit Zementbrunnen. Das Schlusslicht bei den Hydranten war Furna, das erst 1996 dazu kam. Der Kanton, vor allem aber die neugegründete Gebäudeversicherung subventionierten diese Vorhaben. Der Wassermangel führte nämlich im Brandfall dazu, dass Brunnen rasch geleert waren und die Feuerspritzen statt für die Brandbekämpfung für das Herbeipumpen des Wassers aus einem Bachtobel gebraucht wurden.
Wenn die vielfältigen Pannen, Mängel und Versäumnisse bei Dorfbränden oft zu beinahe tragikkomischen Szenen führten, der Wille zu helfen war doch allgemein. Mit Sturmläuten, Meldereitern, später per Telegraph, wurden die Nachbargemeinden zu Hilfe gerufen. Und sie kamen auch.
Die neue Gebäudeversicherungsanstalt versuchte durch Kurse, Tagungen und auch Subventionen, ja durch Anschaffung eigener Geräte, die Löschbereitschaft zu fördern. Schon 1927 stationierte sie je eine Motorspritze in Arosa, Samedan und Ilanz, welche der jeweiligen Region zur Verfügung standen. 1930 kaufte die Gebäudeversicherungsanstalt eine Überland-Autospritze, die im ganzen Kanton zum Einsatz kommen sollte. Dies führte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert dann zur Einrichtung von Stützpunktfeuerwehren, die zunächst die lokalen Corps unterstützten, heute aber in diversen Aufgaben auch ablösen. Vorerst aber standen Fragen der Instruktion, der Versicherung der Feuerwehrleute sowie neue Strukturen für die Kriegszeit an. Kriegsfeuerwehr, Ortsschutz und Zivilschutz mussten aufeinander abgestimmt werden. Die Bewährungsprobe kam 1943 mit dem Waldbrand am Calanda, der sich über 6 Quadratkilometer erstreckte. In der Folge mussten neue Geräte angeschafft und die Löschtaktik überarbeitet werden. In engem Schulterschluss mit dem Schweizer Feuerwehrverband, wenn auch immer etwas später als in der übrigen Schweiz, passte sich das Feuerwehrwesen in Graubünden den neuen Entwicklungen und Erfordernissen an: Telefonalarm, Ölwehr, Atemschutz, Strasseneinsatz, schliesslich Chemiewehr mit entsprechender Gefährdung des Wassers. Die rasche Zunahme der in Graubünden verkehrenden Zahl von Autos und Lastwagen sowie die Eröffnung der N13 1967 forderten ihren Zoll. Ende 1970er anfang 1980er Jahre machte sich ein Mangel an Feuerwehr-Instruktoren bemerkbar; Rekrutierung und Besoldung, aber auch regionale Kaderübungen wurden zum Problem. Der Waldbrand auf der Luzisteig 1987, eine unnötige Wiederholung desjenigen vom Calanda 1943, sah dann erstmals Löschhelikopter der Armee im Einsatz. Und im selben Jahr beanspruchten Rüfen und Hochwasser erneut die Schadenwehr. An ein Wunder grenzte 1991 der Ablauf eines Rangierunfalls im Bahnhof Landquart, bei dem fast 80'000 Liter Öl ausliefen, ohne einen Brand auszulösen. In den Werken der Ems Chemie AG wurde ein Chemiestützpunkt errichtet, und entlang der N13 zwischen Landquart und Roveredo sind 6 Autobahnstützpunkte in Betrieb. Auf den Kantonsstrassen sorgen Stützpunkte für rasche und effiziente Lösch- und Rettungseinsätze. In den letzten Jahren wurden auch Stützpunkte für die Bahnrettung eingerichtet.
Diese zusätzlichen Aufgaben löste angesichts finanzieller Engpässe der öffentlichen Hand auch in den Gemeinden am Ende des Jahrhunderts ein Umdenken aus. Reduktion des Mannschaftsbestandes sowie Zusammenlegung der Ausrüstung heisst die Lösung, um besseres, moderneres, effizienteres Material bei niedrigeren Kosten für die Gemeinden zu beschaffen. Ende 2015 bestanden noch insgesamt 60 Feuerwehrkorps mit etwa 4000 Feuerwehrleuten. Vor 20 Jahren lauteten die Zahlen noch auf 235 Korps mit über 12'000 Leuten. Dezentral stehen unterdessen auch 20 Autodrehleitern als Rettungs- und Feuerbekämpfungshilfe im Einsatz. In der Bekämpfung der Elementarschäden stehen seit 2002 in 10 Stützpunkten spezifisches Material, unter anderem auch Sandsackabfüllanlagen in Betrieb. Neue Leitbilder für Gemeinden, Regionen und den Kanton sind erforderlich, um das alte Ziel unter gewandelten Verhältnissen zu erreichen: Nämlich die Feuerwehr und die andern Träger des Bevölkerungsschutzes zu fördern und für Notfalleinsätze zu stärken. Damit leistet die Gebäudeversicherung weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit von Bevölkerung und Gästen. Der Beitrag der Privatversicherungen tragen mit dem seit 1931 unveränderten „Löschfünfer“ (5 Rp. je 1000.- Franken Versicherungs-kapital) ca. 1 Mio. jährlich an Prävention und Feuerwehr bei.
Die Gebäudeversicherung fördert aus ihren Löschbeiträgen von 9 Rp. je CHF 1000 Versicherungssumme, das sind jährlich gegen CHF 10 Mio. - die Feuerwehren mit jährlich mehr als CHF 7 Mio. in Form von Beiträgen vor allem an die Löschwasserversorgung, aber auch an Material, Tanklöschfahrzeuge und natürlich wie seit je die Feuerwehrinstruktion. Damit wird der kantonale Finanzhaushalt um jährlich 10 Mio. Franken entlastet.
3. Die Prävention
a) Brandschutz
Die Bündner sahen sich seit je her nach Möglichkeit vor, um Schaden von ihrem Hab und Gut abzuwenden. Es versteht sich von selbst, dass dem Umgang mit dem offenen Feuer, wie es lange noch vor allem in der Küche üblich war, eine besondere Sorgfalt zukam. Ebenso dem Licht, das bis zum Ersten Weltkrieg noch mit Kerzen oder Petrollampen, allenfalls Gas erzeugt wurde. Wenn nun die Bauern im winterlichen Dunkel das Vieh besorgten, oder nachts bei einer kalbernden Kuh wachten, so hatten sie natürlich eine Laterne bei sich, die nicht immer gut verschlossen und damit eine Brandgefahr war. Seit es geschriebene Stadt- oder Dorfrechte gab, wurde der leichtfertige Umgang mit Feuer geahndet. Damit hatte es sich aber meistens schon. Mancherorts musste der Nachtwächter auf die Einhaltung der erlaubten Lichtzeiten achten oder Verstösse gegen die Feuerordnung melden. Auf die enggedrängte Bauweise mancher Dörfer wurde schon hingewiesen. Zudem war die Mehrheit der Häuser mit Ausnahme des Engadins und der Südtäler aus Holz und auch mit Holz gedeckt. Dazu kamen ebensoviele oder mehr Ställe, Scheunen und Schober, gefüllt mit Heu, Stroh oder Brennholz. Spät und meist erst nach mehreren Bränden zeigte sich die Feuerprävention auch in der Bauordnung, wenn Hartbedachung, Brandmauern oder Feuereimer vorgeschrieben wurden. Doch beim völligen Fehlen von Polizei oder wirksamen staatlichen Strukturen war Nachlässigkeit die Regel. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Bauweise eine entscheidende Aufgabe in der Brandverhütung zugebilligt. Wenn ganze Dörfer abgebrannt waren, wurde zuweilen versucht, die Bauabstände zu vergrössern und breitere, gerade Wege durchzusetzen. Nach wie vor zeugen jedoch die grossen Tore im Dachgiebel alter Häuser, vor allem in der Stadt, vom Holzaufzug, da das gespaltene Holz in den Estrichen lagerte, eine wahre Brandbombe!
Regulierung und Deregulierung
Erst 1872 unternahm der Kanton mit dem Erlass einer Feuerpolizeiordnung den Versuch, die Feuerprävention auf einen einheitlichen und neuzeitlichen Stand zu heben. Die Gemeinden sollten für den Feuerschutz, das Kaminfegerwesen und die Organisation einer Feuerwehr zuständig sein und entsprechende Vorschriften aufstellen. Da aber die Regierung die Erfüllung dieses Gesetzes kaum kontrollieren konnte und auch die Verschärfung der Aufsicht, die nun den Kreisen auferlegt war, nichts fruchtete, wurde diese 1911 der GVG direkt unterstellt und 1924 in ein eigentliches Feuerpolizeiamt umgewandelt. Seit dem Gebäudeversicherungsgesetz von 1972 ist das Feuerpolizeiamt auch Bewilligungsinstanz. Die Direktion der GVG erlässt zudem im Rahmen ihrer Zuständigkeit feuerpolizeiliche Vorschriften, wobei sie sich auf die Schweizerischen Brandschutzvorschriften der VKF stützt. Nachdem das Automobilverbot im Kanton Graubünden 1927 im 10. Anlauf aufgehoben worden war, wurden Vorschriften für Garagen und Tankstellen sowie über den Umgang mit feuergefährlichen Flüssigkeiten erlassen. 1930 kamen die Vorschriften für die Lichtspieltheater dazu, nicht nur was die Lagerung der hochbrennbaren Celluloid Filmrollen betraf, sondern auch die Einrichtung des Vorführraumes und die Fluchtmöglichkeiten des Publikums. Heute gibt die GVG in Zusammenarbeit mit dem Architekten- und Baumeisterverband Richtlinien und Ratschläge, beispielsweise zum Umgang mit Dekorationsmaterial und mit Holzheizungen heraus. Wie einst kommt auch heute im Rahmen ihrer gesetzlich festgelegten Aufgaben der Brandschutzkontrolleur vorbei, um den Schweden- oder Kachelofen, dessen Unterlage und Abstände sowie das Cheminée zu kontrollieren. Und der Kaminfeger hat bei aller Deregulierung auch heute noch eine amtliche Funktion im Rahmen der von der Regierung erlassenen Tarifbestimmungen. Meist muss er nur noch die Ölheizung kontrollieren und warten, letzteres neuerdings nur noch einmal pro Jahr. Beim Nachfüllen des Öltanks steht dann der Lieferant in der Verantwortung. Die meisten Städter aber kommen nur noch mit allfälligen Rauchverboten und Notausgängen in Kontakt mit der Brandprävention, allenfalls einem Feuerlöscher. Rauchmelder sind allgegenwärtig; weniger sichtbar sind die Details zur stetigen Freihaltung von Fluchtwegen die zugleich auch den Feuerwehren den Zugang zur Personenrettung aus brennenden Gebäuden gewährleisten müssen. Brandschutz ist in erster Linie Personenschutz; der Sachwerteschutz steht an zweiter Stelle. Die Anforderungen des Brandschutzes stehen bisweilen im Widerspruch zum Bedürfnis von Bauherren, Industrie und Gewerbe nach freier Ausübung ihrer Tätigkeit. Brandschutzvorschriften beschränken architektonische, bautechnische und betriebliche Möglichkeiten. Darum bemühen sich die Brandschutzbehörden um verhältnismässige Ausgestaltung und Anwendung ihrer Vorschriften. Letztlich müssen diese, unter Einbezug des Personenrisikos, mehr Nutzen als Aufwand verursachen, also wirtschaftlich zu rechtfertigen sein. Bei der breit abgestützten Erarbeitung der jüngsten Generation von schweizerischen Brandschutzvorschriften wurde diesem Aspekt besonderes Gewicht beigemessen. Die Brandschutzvorschriften 2015 beinhalten eine Reihe von risikomässig vertretbaren Liberalisierungen.
Der Brandschutz der GVG sorgt seit Jahrzehnten für eine Durchgehende Anwendung der Brandschutzvorschriften. Diese konsequente Haltung ist mit ein Grund für die tiefen Feuerschäden im Kanton Graubünden im Vergleich mit anderen Kantonen. Sie folgt dabei dem Grundsatz, jeweils im Rahmen des rechtlichen Ermessens zugunsten des Belasteten zu entscheiden, d.h. nur zu verfügen, was rechtlich zwingend ist und nicht, was rechtlich zulässig wäre.
Im Übrigen kann die Kontrollfähigkeit, die gemäss den Feuerpolizeivorschriften den Gemeinden aufgetragen ist, gegen Entgelt an die GVG delegiert werden, wovon 2015 gegen 113 Gemeinden Gebrauch machten. Seit 2003 erfolgte eine Regionalisierung des Brandschutzes, indem 6 Regionalbüros Gemeinden nicht nur bei Kontrollen und Baugenehmigungen unterstützen, sondern bei Bedarf teilweise auch die Schadenabwicklung übernehmen.
Die neue Brandschutzgesetzgebung von 2015 hat einige der im 2005 erfolgten Überregulierungen nach den Risikomanagementgrundsätzen korrigiert und damit liberalisiert.
b) Elementarschadenprävention
Wald
Bannwälder gehören zu den ältesten bekannten Massnahmen gegen Lawinen und Rutschungen. Mancherorts gab es zum Schutz dieser Wälder einen Bannwart, und die Holznutzung war unter schweren Sanktionen eingeschränkt. Besonders Chur besass seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts strenge Schutzbestimmungen für seine Wälder, wozu auch in andern Regionen stets ein Weideverbot für Ziegen gehörte. Je nach Region wurden ganze Wälder aber schon früh dem Bergbau geopfert oder als bequeme Einnahmequelle durch Kahlschlagkontrakte ins Ausland geflösst. Erst mit der kantonalen Forstordnung von 1839 wurden die Gemeinden verpflichtet, eine nachhaltige Waldnutzung zu betreiben, da die Hochwasserschäden von 1834 und 1839 den katastrophalen Zustand des Gebirgswaldes offengelegt hatten. In diesem Bereich wurde die Prävention zuerst als öffentliche Aufgabe mit entsprechender finanzieller Dotierung anerkannt.
Durch die Klassifizierung der Wälder und die Aufsicht über deren Nutzung sollten nicht nur die Wildbachverbauungen ergänzt, sondern auch die Schutzwaldungen vor dem kommerziellen Ausverkauf bewahrt werden. Aufforstungen gingen jedoch vorwiegend auf Kosten der Gemeinden, die sich hartnäckig querstellten. Erst das eidgenössische Forstgesetz von 1871 gab dem Kanton den erforderlichen Rückhalt gegenüber renitenten Gemeinden.
Technische Schutzvorrichtungen
Die ersten kantonalen Lawinenverbauungen wurden unter Leitung von Forstinspektor Johann Coaz, dem späteren eidgenössischen Oberforstinspektor, erstellt. Es galt Strassen-, später Bahnbauten vor der Zerstörung zu schützen. Galerien und Schutzzäune sorgten an problematischen Stellen für Sicherheit. Doch erst der opferreiche Lawinenwinter von 1951 löste eine systematische Verbauungspolitik aus, welche sich in späteren Extremwintern bewährte.
Wie Dorfbrände – obwohl diese meist auf menschliches Verschulden zurückgingen - wurden auch Hochwasser- und Lawinenkatastrophen mit einem gewissen Fatalismus hingenommen. Doch wurde hier die Vorsorge eher als Gemeinschaftsaufgabe wahrgenommen, da sie stärker kommunale Interessen betraf. Dorf- und Stadtordnungen enthielten deshalb je nach Gefahrenlage auch Vorschriften und Reglemente zur Bewuhrung. Darin ging es zwar hauptsächlich um Eigentumsfragen und entsprechende Servitute; doch reichten die geforderten Massnahmen für die saisonal wiederkehrenden durchschnittlichen Schadensereignisse aus. Bei Jahrhundert-Hochwassern mussten sie jedoch versagen, da sie wenig systematisch und technisch unvollkommen waren.
Das 19. als Jahrhundert der Ingenieurskunst verfügte dank der industriellen Revolution und verbesserter Forschung und Ausbildung über neue und effizientere Technologien. Diese erfassten auch die Wasserwirtschaft und das Forstwesen. Gleichzeitig bot der stete Staatsausbau die Möglichkeit zu überregionaler Planung und Finanzierung.
Wasserbau
Dennoch dauerte es auch hier bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, bevor Bund und Kantone die Prävention von Elementarschäden als Staatsaufgabe anerkannten. Dabei gaben einzelne Grossschäden und bedeutende Schutzprojekte die nötigen Anstösse. Bekannt ist unter letzteren vor allem die Sanierung der Linthebene unter Führung von Konrad Escher. Die Hochwasser von 1834 und 1868 führten schliesslich allen vor Augen, wie unabdingbar das staatliche Engagement war. Die Kantone des Mittellandes sahen allmählich ein, dass die Verbauung der Gebirgsbäche auch in ihrem Interesse war, da sie von entsprechenden Versäumnissen direkt betroffen waren. Getreu dem herrschenden Fortschrittsglauben wurde die Natur zwar als unberechenbare, aber doch mit der nötigen Technik bezähmbare Gewalt angesehen. Und so wurde ein Teil gesammelter Hilfsgelder nach Katastrophen zweckwidrig für Reparatur- und Präventionsmassnahmen der öffentlichen Hand abgezweigt. Neben diesen spektakulären Gross-Ereignissen liefen private und kantonale Initiativen, die oft jahrzehntelange, finanziell abenteuerliche Bemühungen erforderten. So ruinierte sich etwa Pfarrer Pool in den Jahren im unfachmässigen, aber hartnäckigen Versuch, die Landquart in der Schierser Ebene zu bezwingen. Grosse und kleinere Gewässerkorrektionen standen beim Kampf gegen Naturgewalten überall im Vordergrund.
In Graubünden war es in erster Linie die erfolgreiche Eindämmung des Hinterrheins und die Rückgewinnung des Talbodens im Domleschg, welche auf Anstoss des ersten Kantonsingenieurs La Nicca 1832 zunächst von einer Aktiengesellschaft, ab 1851 bis 1901 allein vom Kanton bewältigt wurde. Etwa gleichzeitig begann die Eindämmung des Rheins bei Maienfeld, was ab 1849 entsprechende Anstrengungen der übrigen Gemeinden zwischen Ems und Fläsch auslöste. Die Gemeinden, welche noch allein für Wuhren zuständig waren, arbeiteten mehr oder weniger koordiniert an ihrem Abschnitt, meist im Gemeinwerk und zum Teil mit nur 100 Metern Bau pro Jahr. Immerhin wurden sie dabei ab 1862 vom Bund und dank dem Wuhrgesetz von 1871 auch vom Kanton unterstützt. Das Hochwasser von 1868 bewirkte in Bern einen politischen Dammbruch, indem das Parlament seine föderalistischen und liberalen Grundsätze beiseite schob und mit dem Wasserbau- und Forstgesetz 1877 die Führung in der Prävention übernahm. Man war nicht länger bereit, Überschwemmungen klaglos hinzunehmen und weiter im alten Stil zu wehren. So wurden in Graubünden während 30 Jahren über 400 Flussverbauungen erstellt, was insgesamt an die 6 Mio. Franken verschlang, woran der Bund 1 Mio. beisteuerte. Während die Gebäudeversicherung für die Feuerprävention zuständig ist, sorgt der Kanton mit den Gemeinden für die Elementarprävention. Ein wichtiger Teil derselben ist die Raumplanung mit ihrer Zonenordnung, die seit den 1960er Jahren den Gemeinden auferlegt ist und mit den Gefahrenzoneneinteilungen rot und blau schweizweit Pionierarbeit geleistet hat. Einzig die für die Gebäudeprävention sehr gewichtigen gelben Gefahrengebieten sind im Kanton noch nicht flächendeckend definiert.
Klimawandel
Die Verhütung von Elementarschäden ist jedenfalls eine Daueraufgabe, die nie ein für allemal gelöst ist, wie gerade jüngste Erfahrungen zeigen. Und mit der Klimaveränderung, die sich als langfristige Bedrohung erweisen könnte, kommen allenfalls neue Naturereignisse auf uns zu.
Dieser Herausforderung muss sich die Gesellschaft und damit der Gesetzgeber wie auch die Gebäudeversicherung stellen. Stichworte dazu sind der beschleunigte Rückgang der Gletscher, der die Bergflanken in gewissen Gebieten unstabil macht, wie das Spektakel des Felsabbruchs am Eiger 2006 vor Augen führte. Ebenfalls auf die Erwärmung geht das Auftauen des Permafrostes zurück, was instabilere Böden in grossen Höhen bedeutet. Obwohl diese Phänomene weitab der Siedlungen auftreten, ist bei unserer weitreichenden touristischen Erschliessung der höchsten Gipfel auch ein gewisses Schadenrisiko damit verbunden. Dies zeigte sich an der Corvatschbahn schon vor mehreren Jahren, als sie neu verankert werden musste. Die Klimatologen sagen vermehrte Extremniederschläge voraus, wodurch sich Jahrhundertereignisse früher wiederholen könnten. All dies betrifft selbstverständlich auch die Gebäudeversicherung, die ihre Risikoanalysen in den entsprechenden Versicherungszweigen anpassen muss, was schliesslich auch die Prämien beeinflussen könnte. Es ist übrigens die gewiss unverdächtige private Swiss Re, welche schon seit vielen Jahren die Politiker international auf die Erderwärmung und die daraus folgenden Kosten aufmerksam macht.
Die Diskussion über Früherkennung von Felsstürzen blieb trotz der Erfahrung in Felsberg 1845 und am Flimserstein 1939 mit 19 Toten lange Zeit theoretisch, bis das Unglück an der Gotthardautobahn im Sommer 2006 und erneute Abbrüche ob Felsberg 2001 und 2003 die Gefahr in Erinnerung riefen. Seither wurden Strassen und Bahnen auf diese Gefahr hin überprüft, und neuerdings werden Beobachtungen der Revierförster systematisch gesammelt und ausgewertet.
Raumordnung und Prävention
Im Bauboom der Nachkriegszeit wurde eher spät versucht, mit einer kantonalen Bauordnung Richtpläne für die Gemeinden zu erstellen, da diese der Bodenspekulation wenig entgegenzusetzen wussten. In diesem Zusammenhang mussten auch Gefahrenzonen ausgeschieden werden. Diese unterscheiden zwischen roten mit hoher Gefährdung und blauen mit mittlerer Gefährdung. In der roten Zone darf überhaupt nicht gebaut werden, bzw. kann die Gebäudeversicherung eine Deckung ablehnen. In der blauen Zone gelten verschärfte Auflagen, vor allem bei Um- und Neubauten. Da diese Zonen natürlich eine Wertminderung für die Besitzer bedeuteten, dauerte die Umsetzung manchenorts Jahre. Dank diesem in neuster Zeit vermehrt genutzten Instrument gelang es immerhin, die Risiken im Elementarbereich erheblich zu verkleinern, was ebenfalls den Prämienzahlern zugute kommt. Seit über 30 Jahren beurteilen die von der Gebäudeversicherung beauftragten Prüfingenieure Bauvorhaben in Gefahrenzonen (blau und rot). Seit 2012 beschäftigt die GVG auch Experten für Elementarschadenprävention, welche Bauvorhaben mit besonderen Gefährdungen (gelbes Gefahrengebiet, Solaranlagen, Prävention nach Schäden) beurteilen.